Presse

Weiter mit der "Bahn"

Stadtkurier Bocholt
22.10.2008
Stadtkurier Bocholt

Nach beruflichem Rückschlag in die Selbstständigkeit

Bocholt (sed). Aktuell geht es durch die Schlagzeilen und Nachrichten: Über 90 Mitarbeiter des Siemens- beziehungsweise BenQ-Nachfolgers Combase/T SA müssen damit rechnen, bald arbeitslos zu sein. da die Handy-Reparaturwerkslatt am Standort Bocholt aufgegeben wird. Den Unmut und vor allem die Gefühle der Betroffenen kann Jörg Plewinski durchaus nachvollziehen, es steigt auch in ihm wieder hoch. Denn vor knapp zwei lahren, als Siemens-Nachfolger BenQ Insolvenz anmelden musste. war er selbst betroffen.

„35 lahre habe ich bei Siemens gearbeitet“, sagt er, „dann war ich arbeitslos.“ Ein schwerer Schlag für den heute 53-lährigen, der in der Materialwirtschaft für ein gutes Dutzend Mitarbeiter und ein mehrere Millionen Euro umfassendes Budget verantwortlich war. Einen Ausweg aus dem Dilemma beschreitet er nun, indem er seine beruflich erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und sein Hobby, das er schon sein Leben lang betreibt, zusammenbringt: Er ist Elektrotechniker und begeisterter Modelleisenbahner. Nun hat er nach gründlicher Vorbereitung den Weg in die Selbstständigkeit gewagt und ein Fachgeschäft in der Bocholter Innenstadt eröffnet - das einzige seiner Art in weitem Umkreis.

Neue Perspektiven

Nicht aus Verzweiflung, sondern mit Konzept startete Jörg Plewinski in die Selbstständigkeit

Bocholt (scd). „Die unsichersten Arbeitsplätze sind die in Großunternehmen“, da ist sich Jörg Plewinski ganz sicher. „Und bei der Bahn würde ich heute auch nicht mehr anfangen wollen“, fügt er leicht sarkastisch hinzu. Letzteres bezieht sich auf seinen Kindheitstraum, Lokführer zu werden. Ersteres weiß er aus eigener, leidvoller Erfahrung. Schließlich arbeitete der studierte Elektrotechniker, der seit zwölf Jahren in Bocholt lebt, 35 lahre lang  bei Siemens beziehungsweise zuletzt BenQ. Vor knapp zwei lahren folgte dann durch die BenQ-Insolvenz das berufliche Aus.

Mit Anfang 50 fand sich der gebürtige Berliner in einer Transfergesellschaft wieder und musste sehen, wie es weitergeht. Er besann sich auf seine beruflich erworbenen Fähigkeiten und Qualitäten, beispielsweise technisches Wissen und Geschick oder auch Organisationstalent. Doch auch sein Hobby, das ihn seit frühesten Kindheitstagen begeistert, kam mit in Betracht: Jörg Plewinski ist begeisterter Modelleisenbahner. Und was er dabei in seiner rund fünf Jahrzehnte dauernden „Karriere“ an Geschick und Wissen angehäuft hat, kommt ihm nun zugute.

„Man lernt die unterschiedlichsten handwerklichen Dinge, lernt den Umgang mit verschiedenen Werkstoffen kennen, lernt, wie man mit Kleber umgeht oder Steuerungen programmiert“, erzählt der 53-jährige. Zunächst hat er etwa ein lahr lang nebenberuflich die Fertigung von Modell-Bäumen für Modelleisenbahn-Anlagen betrieben: „Jeder Baum ist ein Unikat, alles Handarbeit! Die Stämme sind aus Echtholz, sie werden in mehreren Schichten gestrichen und pulverisiert, so dass eine naturgetreue Rindennachbildung entsteht. Das ist etwas für Liebhaber, die statt Plastik-produkten gerne ‚High-End’-Qualität auf ihrer Anlage sehen möchten.“ Erste Erfolge in der „Szene“ - so etwa zwischenzeitlich auf einer Fachmesse in Leuna, wo er mit seinen handgefertigten Bäumen Alleinstellungs-Status hatte - stimmten ihn zuversichtlich, Hobby und Beruf als neue Existenzgrundlage verbinden zu können.

„lm Stadt-Kurier habe ich seiner zeit einen Artikel über eine Existenzgründung gelesen, bei der Peter Neuwald als Berater zur Seite stand“, erzählt der Neugründer. „Ich habe Kontakt mit ihm aufgenommen, und schließlich stand ein gemeinsam erarbeitetes, schlüssiges Konzept, das auch die Kreditgeber überzeugte. So habe ich nun den Schritt in die Selbstständigkeit getan und den Laden in der Langenbergstraße eröffnet.“ Und der ist in weitem Umkreis der einzige seiner Art: „lch selbst bin früher nach Osnabrück gefahren, da ist der nächste größere Laden mit entsprechender Auswahl.“ Nun bietet er nicht nur selbst ein umfangreiches Sortiment rund um die Modelleisenbahn an, sondem kann seinen Kunden auch mit seinem Wissen bei vielen praktischen und technischen Fragen zur Seite stehen.

Auch wenn Jörg Plewinski durch seinen Laden und die Baum-Manufaktur nach Feierabend und am Wochenende kaum noch Freizeit hat, ist er froh, dass er einen Ausweg aus der Misere gefunden hat, in die er geraten war: „Wichtig ist, wieder auf die Füße zu kommen!“

 

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